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Wie koreanische Kosmetik zum Spitzenprodukt wurde

Dieser Artikel wurde für die Spezialausgabe "Hallyu" 2022 verfasst

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Im Gespräch mit der Unternehmerin Bo Hyun Kim

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Koreanische Kosmetik wird immer bekannter außerhalb der eigenen Landesgrenzen. Laufend erscheinen neue Produkte auf dem europäischen Markt, und sogar deutsche Drogerieketten nehmen Kosmetikprodukte aus Südkorea ins Sortiment auf. Doch wie kommt es, dass die Kosmetik aus Südkorea so beliebt ist? Im Interview mit der Unternehmerin Bo Hyun Kim für dieses Magazin wird deutlich, wie der Kosmetikmarkt in Korea tatsächlich funktioniert und was Koreaner:innen über die Hautpflege denken.

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junge koreanische Frau

Bo Hyun Kim setzt sich bereits seit sechs Jahren intensiv mit dem koreanischen Skincare-Markt auseinander. Sie hat ein eigenes Unternehmen gegründet und exportiert ihre Lieblingsprodukte ins Ausland. „Eigentlich habe ich nie wirklich darüber gedacht, mich mit Kosmetik zu beschäftigen, weil ich Musik und Jura studiert habe“, sagt sie. „Parallel habe ich unterschiedliche Jobs gemacht, sehr oft als Übersetzerin für Geschäftsleute aus Korea und aus dem Ausland gearbeitet.“ Eines Tages kam ihr jedoch die Idee, sich selbstständig zu machen und sich mit etwas zu befassen, das ihr Freude bereitet und anderen Menschen einen Nutzen bringt. Kosmetik ist etwas, das sie selbst jeden Tag verwendet, denn „die richtige Hautpflege kann nicht nur die Haut, sondern auch die Laune verbessern und sogar das Selbstbewusstsein steigern“, so Kim - eine Einstellung, die scheinbar tief in der koreanischen Gesellschaft verankert ist. „Hautpflege kann tatsächlich als Teil der koreanischen Kultur bezeichnet werden, weshalb ein großes Augenmerk auf Gesundheit und Schönheit der Menschen gelegt wird.“

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Früher haben die Koreanerinnen das Gesicht mit Reiswasser gewaschen. Heutzutage beginnt ihre Skincare bereits im Babyalter. „Koreanische Mütter sind sehr kritisch, wenn es um die ersten Hautprodukte für ihre Kinder geht – Shampoo und Duschgel.“ Später übernehmen die Kinder das Interesse an der Kosmetik: „Vor allem Mädchen lieben es, wenigstens einen milden Reinigungsschaum, eine Lotion oder Creme zu verwenden“, erklärt Kim und führt aus, dass die Anwendung von Kosmetikprodukten zur Hautpflege unverzichtbarer Teil im Leben einer jeden Koreanerin ist – bis ins hohe Alter. „Meine Großmutter ist jetzt 85 Jahre alt, und auch sie hat immer noch eine eigene Hautpflegeroutine“, lacht Kim. Im Übrigen ist die Beauty-Branche durchaus keine reine Frauenbastion. Nirgendwo sonst auf der Welt geben Männer so viel Geld für Hautpflege aus wie in Korea. Von 2014 bis 2019 erhöhte sich der Umsatz von Kosmetikprodukten für Männer in Korea um 86 Prozent. (1)

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Außerhalb von Korea sind die 10 Stufen der koreanischen Skincare-Routine bekannt. Mit Realität haben diese aber wenig zu tun. Die Pflegeroutine besteht in aller Regel aus etwa fünf Schritten: zweistufiges Reinigen, Auftragen eines Toners, eines feuchtigkeitsspendenden Produkts und eines nährstoffreichen Serums zum Schluss. Bei einer solch intensiven Pflege drängt sich die Frage auf, wie viele Kosmetikprodukte eine durchschnittliche Koreanerin eigentlich besitzt? „Das ist sehr unterschiedlich, aber bestimmt nicht weniger als zehn“, ist sich Kim sicher. „Kosmetik kann in Korea an jeder Ecke gekauft werden. Wir sehen ein Angebot und kaufen es, eine Freundin empfiehlt etwas, wir kaufen es, die eigene Mutter oder Freundinnen verschenken auch Kosmetik.“ Auf diese Weise (über)füllen zahlreiche Produkte schnell den Badezimmerschrank.

 

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Kosmetikprodukte im Angebot in Korea

Die Nachfrage nach Pflegeprodukten in Korea ist dadurch immens, doch die Kosmetikfirmen können diesen enormen Bedarf problemlos decken. Gegenwärtig werden in Südkorea über 20.000 verschiedene Kosmetikmarken gezählt. „Die Herstellung von solchen Hautpflegeprodukten ist in Korea sehr ausgereift, und die Einstiegshürde in die Kosmetikbranche deshalb sehr niedrig“, sagt Kim. Aus diesem Grund gibt es auch sehr viele klein- und mittelständische Unternehmen, die nur 3–6 Marken im Portfolio haben. Jede:r Unternehmer:in mit einem Konzept, Design und ausreichend Budget kann ein eigenes Kosmetikprodukt auf den Markt bringen. „Es gibt viele neue Marken, weil Koreaner:innen es lieben, etwas Neues und Innovatives auszuprobieren. Das liegt wohl in unseren Genen“, lächelt Kim. 

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Bei dem riesigen Angebot ist es nicht überraschend, dass sich einige Produkte manchmal ähneln. „Der Unterschied besteht in der Qualität sowie im Preis, aber in Korea gehen wir sehr offen damit um“, erklärt Kim. „Es ist nicht möglich, ein einfaches Produkt teuer zu verkaufen.“ Verschiedene Expert:innen und Spezialist:innen liefern den Verbraucher:innen zahlreiche, offen zugänglichen Informationen auf verständliche Weise. Das Feedback der Verbraucher ist das A und O für die Firmen, denn es macht neue Marken „lebendig“. „Die Qualität der Kosmetikprodukte verbessert sich stetig, weil sich die Menschen intensiv mit den Inhaltsstoffen, dem Kaufpreis und der Wirkweise der Produkte auseinanderzusetzen“, so Kim. Die Firmen zielen deshalb darauf ab, in ein gutes Produkt zu investieren, um die Loyalität der Kunden:innen zu gewinnen und langfristig auf dem Markt existieren zu können.

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Kosmetikladen Holika Holika

Obwohl der koreanische Markt zahlreiche hochwertige Produkte bietet, werfen die Koreaner:innen gern auch einen Blick auf ausländische Marken. Aus koreanischer Sicht verfügt Europa über innovative Technologien und eine gut entwickelte Medizin. „Heutzutage hat Korea vermutlich auch dieses Image. Früher war Europa jedoch das Maß aller Dinge bezüglich der hochentwickelten Technologie“, sagt Kim. 

 

Doch Koreaner:innen folgen gern auch Trends, und diese ändern sich rasend schnell in Südkorea. Kosmetik ist da keine Ausnahme. „Als die Pandemie angefangen hat, ging es bei den Produkten um hautberuhigende und feuchtigkeitsspendende Hautpflege, da viele Koreaner:innen aufgrund der Masken Hautprobleme bekamen“, erläutert Kim. „Seit wir nach zweieinhalb Jahren die Masken ablegen konnten, ändert sich der Trend. Milde Reinigungsprodukte und Make-up werden wieder populärer.“ Auch mehr Beauty Gadgets wie Geräte für Ultraschall-Peeling oder Lichttherapie, Massagegeräte und hochkonzentrierte Essenzen mit interessanten Inhaltsstoffen wie Beifuß und Kürbis sollen laut Kim im Herbst vermehrt auf den Markt kommen. Fans von koreanischer Hautpflege dürfen also gespannt sein.

 

Der Export koreanischer Kosmetik ist mittlerweile ein wichtiges Segment der koreanischen Wirtschaft geworden. Zum einen, weil die Produkte aus Südkorea qualitativ sehr hochwertig und von kritischen Koreaner:innen getestet wurden: „Ich scherze immer, dass es in Korea keine schlechte Kosmetik mehr gibt“, lacht Kim. Zum anderen hat die Beliebtheit der koreanischen Kultur einen großen Einfluss darauf. K-Pop, K-Dramen, koreanische Movies sowie Mode – alles trägt zur Popularität Koreas und seiner Produkte bei. „Meine Eltern können immer noch nicht glauben, dass Menschen aus aller Welt Korea besuchen möchten, denn in ihrer Kindheit war das noch nicht vorstellbar“, sagt Kim.

 

Bei solch einer Entwicklung wird sich die koreanische Kosmetik zweifelsohne im In- und Ausland weiterhin großer Beliebtheit erfreuen.

(1) Florian Siebeck, 29. Okt. 2019: „Männerkosmetik. Chok-chok: Warum Make-up in Südkorea auch Männersache ist“, Der Standard 

Dieser Magazinartikel erschien in der Kultur-Korea-Sonderedition "Hallyu", herausgegeben durch die Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea in Deutschland im Jahr 2022.

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